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Reisebericht Dnipro, Ukraine, 6. – 15.04.2017

Schon lange haben wir uns auf diese Reise gefreut. Am 6. April ging es endlich los, mit einem Sattelschlepper voll Hilfsgüter und allen dazu gehörenden Zollpapieren fahren wir ab Frauenfeld nach Kreuzlingen. Nach einer Stunde ist alles erledigt, noch eine Plombe dran und ab geht es mit dem Schiff über den Bodensee. Bei sehr viel Verkehr geht es zaghaft vorwärts Richtung München. Auf der Autobahn gibt es immer wieder Stau, aber trotzdem schaffen wir es noch bis nach Kinding im Altmühltal.

Am nächsten Tag geht es bei regnerischem und kaltem Wetter vorbei an Dresden, durch die Lausitz bis nach Görlitz, über die Grenze nach Polen. Das Wetter hat sich wieder gebessert, aber warm war es auf der ganzen Reise nicht geworden. Vielfach hatte es am Morgen Bodenfrost. Unsere weitere Route: Wroclaw-Katowice-Krakow-Rzeszow bis an die ukrainische Grenze Medyka-Shehyni.

Ein riesiger PW Stau am Zoll, viele wollten Ostern zu Hause verbringen und für die Lastwagen, die eigentlich eine eigene Spur hatten, war kein Durchkommen mehr. Es wurde gedrängelt, rückwärts gefahren und gehupt wie wild. Ein grösseres Chaos habe ich noch nie gesehen. Als wir endlich beim Zollhäuschen angekommen waren, war gerade Schichtwechsel und es dauerte eine Stunde bis die Nachfolger ihre Schicht antraten, dann wurde aber „zügig  gearbeitet“. Um Mitternacht hatten wir nach acht Stunden auch den ukrainischen Zoll in Shehyni geschafft. Wir fielen müde ins Bett und übernachteten auf dem Zollhof.

Am nächsten Morgen kamen wir bei schönem und kaltem Wetter auf guten Strassen recht vorwärts und waren überrascht, dass wir nach 520 km Ukraine den Stadtrand von Kiew erreicht hatten. Am nächsten Tag ging es im Morgenverkehr durch die Stadt Kiew. Mit drei Millionen Einwohner eine moderne und sehr eindrückliche Stadt mit vielen schönen Brücken über den riesigen Fluss Dnipr, viele mächtige Kirchen und riesigen Grünflächen. Übrigens befindet sich die tiefste Metro-Station (105 m) in Kiew. Nach zwei Stunden Stadtverkehr hatten wir es hinter uns und unser Ziel rückte immer näher, das Land wurde flacher und die Strassen schlechter. In Poltawa einer Provinzstadt mit 300’000 Einwohnern in der Zentralukraine waren die Strassen oder eben nicht Strassen ganz schlecht, dazu regnete es und die Löcher waren voll mit Wasser gefüllt, sodass man sie nicht sah. Da muss man das Inventar in der Kabine schon gut verstauen das es einem nicht um die Ohren fliegt! Trotz dieser Hopperpiste kamen wir noch an diesem Tag bis Stadtnähe Dnipro, übernachteten an einer Tankstelle und warteten dort auf unsere Empfängerin. Wieder waren 500 km gefahren. Dnipro ist mit etwa einer Million Einwohnern nach Kiew, Charkow und Odessa die viert grösste Stadt in der Ukraine. Der Fluss Dnipr ist hier noch einmal viel grösser und bis zu 2,5 km breit. Es ist eine Industriestadt mit einer Uferpromenade von 43 km Länge!

Am nächsten Morgen wurden wir von Svetlana abgeholt und sie führte uns zum Zollhof von dieser Stadt, auch hier wieder dichter Morgenverkehr! Svetlana erledigte die Formalitäten am Zoll und wir genossen zwischen den Hafenkränen am Flussufer die Sonnenstrahlen. Nach einer Stunde ging es weiter durch die Stadt in ein Quartier zum Abladeort, wo wir herzlich empfangen wurden. Am sechsten Tag nach knapp 3000 km hatten wir also unser Ziel erreicht. Die Helfer warteten schon und sie gingen voller Freude an die Arbeit. Unsere Ladung bestand aus Kleider, Decken, Schlafsäcken, warme Pullovern, Matratzen, Velos und Feuerwehrmaterial.

Der Feuerwehrkommandant kam vorbei. Die Freude war ihm ins Gesicht geschrieben und für uns war es auch eine schöne Erfahrung, diese Freude zu sehen. Sie können wirklich alles gebrauchen. Es gibt so viel Not und Leid in diesem Land und der Krieg macht alles noch viel schlimmer. Um die Stadt herum gibt es 150’000 Flüchtlinge und weiter Richtung Osten sind es noch einmal 250’000! Auf dem Weg nach Dnipro wurden wir zweimal von Wachposten angehalten und kontrolliert, durften aber ohne Probleme weiterfahren. Die Kriegsituation stimmte uns sehr nachdenklich und traurig. Wir sahen viele Soldaten, die mit erbärmlichen Bussen in den Krieg einrücken mussten. Auch zerschossene Panzer auf Lastwagen sind uns begegnet. In Kiew am Maidan ist eine Gedenkstätte mit all den jungen Soldaten, die ihr Leben in diesem Krieg liessen.

Nach fünf Stunden war der Sattelschlepper ausgeladen und die Ware in einem Lager verstaut. Wir wurden verwöhnt mit einem feinen Essen. Am Nachmittag wurde uns noch kurz die Stadt gezeigt, bevor wir uns wieder von diesen liebgewordenen Leuten verabschiedeten. Am nächsten Tag machten wir uns auf den Rückweg. Zuerst der gleiche Weg über Poltawa, Kiew bis Lvov, dann über die Karpaten nach Mukatschewo. Die hügelige Gegend ist hier besonders schön und es erinnert uns stark an den Jura. Am Strassenrand wird Honig, Sirup und in Essig eingelegtes Gemüse angeboten. Auf der Strasse Pferdefuhrwerke, am Strassenrand Gänse, Enten und Hühner und im Garten Kühe , Ziegen und Schafe. Von hier nur noch ein kurzes Stück bis zur Grenze nach Chop und wir hatten das riesige Land wieder hinter uns. Die Ukraine ist 14 mal grösser als die Schweiz und ist das grösste Land in Europa, dessen Grenzen vollständig in Europa liegen. Diesmal ging es zügig vorwärts am Zoll. Nach zwei Stunden waren wir schon in Ungarn, so schnell waren wir noch nie über die Grenze gekommen.

Unsere Route durch Ungarn, Nyiregyhaza-Hatvan-Budapest-Tatabanya-Györ-Hegyeshhalom. Auf den riesigen Feldern links und rechts der Autobahn sahen wir immer wieder Hasen, Fasane und viele Rehe. Unsere Reise ging weiter über Wien, Sankt Pölten bis nach Pöchlarn, wo wir für die Schweizer Firma Vetropack Glas abholten. Unsere Rückladung bestand aus Gewürzgläsern. Nun ging es weiter über Linz, Passau, Deggendorf Richtung München. In Deutschland gab es ein Schneesturm nach dem anderen. Man sah kaum noch die Strasse, viele Unfälle, Staus und lange Wartezeiten. Der Winter war zurück! Im Schneegestöber Richtung Schweiz, Zoll erledigen in Thayngen und weiter nach Bülach zum Glas abladen. Jetzt nur noch nach Frauenfeld LKW waschen, putzen und abgeben und schon waren zwei super Wochen zu Ende. Nach knapp 6000 km fahren wir dankbar und voller Erinnerungen nach Hause und freuen uns schon aufs nächste Jahr, wenn wir wieder irgendwo nach Osteuropa fahren, um notdürftigen Menschen Hilfsgüter bringen zu dürfen.

Susann und August